Blickpunkt
von Felix Reiser
Bezirksbeirat verschenkt Gelder
Ein großer Teil des Degerlocher Bezirksbudgets 2020 kann durch die Entscheidungen des örtlichen Gremiums für unseren Stadtbezirk nicht verwendet werden.Im Rahmen der städtischen Haushaltsberatungen für die Jahre 2018/19 wurden die Etats für die Bezirksbudgets der Stadtbezirke deutlich erhöht. Von der Erhöhung des Gesamtetats von 305 000 Euro auf 1430 000 Euro hat auch Degerloch mit jährlich fast 39 800 Euro deutlich profitiert. Die Gelder für die einzelnen Stadtbezirke berechnen sich aus einem Sockelbetrag von 10 000 Euro plus der Einwohnerzahl.
Die zur Verfügung gestellten Finanzmittel sollen laut Richtlinien der Stadt wie folgt verwendet werden: Für Aktivitäten von Einrichtungen, die von bürgerschaftlichem Engagement getragen werden, für kulturelle Veranstaltungen und Stadtbezirksfeste, für kleinere bauliche Maßnahmen, für die Umsetzung von Kinder- und Jugendbeteiligungsprozessen sowie für Bürgerprojekte.
Unabhängig davon haben die Stadtbezirke die Möglichkeit, sich individuelle, bezirksbezogene Richtlinien zu geben. "Das halte ich für Degerloch für dringend notwendig, wir werden das im Bezirksbeirat angehen. Vaihingen hat das auch gemacht", sagt Bezirksvorsteher Marco-Oliver Luz. Warum das notwendig ist, liegt auf der Hand. Nicht verbrauchte Gelder können nur mit einem Anteil von 20 Prozent des Gesamtbudgets ins neue Jahr mitgenommen werden, und auch das ist nicht garantiert, wenn es um eine dringend notwendige Haushaltskonsolidierung der Stadt geht. Dann muss der gesamte Restbetrag zurückgeführt werden. In Degerloch wären das für das vergangene Jahr ca. 18 200 Euro. Wie bitte? Ja, liebe Leser Sie haben richtig gelesen - 18 200 Euro hat der Degerlocher Bezirksbeirat im Jahr 2020 nicht für unseren Stadtbezirk eingesetzt. Fakt ist, dass sich die Stadt nun über eine Rückerstattung aus Degerloch von mindestens 10 320 Euro freuen darf.
Es ist schlichtweg nicht zu fassen, dass es in Degerloch für Beträge dieser Größenordnung keine Verwendung gegeben haben soll. In der letzten Bezirksbeiratssitzung des vergangenen Jahres beantragte die Siedlergemeinschaft Hoffeld 10 000 Euro für den Bau einer Toilettenanlage um ihre Dixi-Vergangenheit abzuhaken. Lediglich die Freien Wähler und die SÖS/Linke stimmten dem Betrag zu. Anderen Parteien war das zu viel für ein WC-Häuschen, deshalb wurden nur 8000 Euro abgesegnet. Über Argumente wie von der AfD - "erhöhen sie doch ihren Mitgliederbeitrag" - kann man nur den Kopf schütteln. In anderen Sitzungen wurden Anträge, wie zum Beispiel von Elterninitiativen, gänzlich abgelehnt.
Der Gipfel schwäbischer Sparsamkeit des örtlichen Gremiums drückt sich in dem Schreiben von Bezirksvorsteher Marco-Oliver Luz vom 21. November an den Wein-, Obst- und Gartenbauverein Degerloch aus. "Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Ihr Antrag vom 14.11. auf Gewährung eines Zuschusses in Höhe von 4004,73 Euro für einen Tandem-Anhänger abgelehnt wurde", heißt es in dem Brief an den 1. Vorsitzenden Wilfried Raff.
Den gewünschten überdachten Anhänger (Muster/Bild) hätte der Verein dringend gebraucht für den Transport von Biertischgarnituren, Grillgeräten, Zelten und weiterem Zubehör für seine Veranstaltungen. Dabei hat das Team um Wilfried Raff nicht nur eigennützig an sich gedacht. "Den Anhänger hätten wir auch anderen örtlichen Vereinen für stadtbezirksorientierte Veranstaltungen zur Verfügung gestellt", sagt Raff zu der Ablehnung des Bezirksbeirates. Degerlocher Sommer, Schimmelhüttenhocketse, Wandernde Weinprobe, Degerlocher Jazz-Frühling, Gemeindefest im Waldheim - es gäbe viele Möglichkeiten, bei denen die Ehrenamtlichen über ein hilfreiches Nutzfahrzeug dieser Art froh wären. Der Bezirksbeirat hat's vermasselt - allerdings liese sich die die Entscheidung bei einem erneuten Antrag revidieren.
Kommentare
Kommentar von Dieter O. Schmid |
Zu dem Beitrag "Bezirksbeirat verschenkt Gelder" - vom 22.1.21
Seit 30 Jahren wirbt der gemeinnützige Verein Degerloch hilft e. V. im Rahmen der jährlichen "Degerlocher Weihnachtshilfe" - eine mit Freude geleistete, ehrenamtliche Arbeit - intensiv um Spenden für plötzliche Not, wachsende Altersarmut oder für sozial tätige Einrichtungen für "Jung und Alt" in Degerloch. Mit einem Ergebnis von inzwischen fast € 700 000 (Siebenhundert tausend) Spendengelder. Die bisher Jahr für Jahr korrekt, gerecht und stets hilfreich in unserem Stadtbezirk verwendet wurden.
Auch die weithin kommunal bewunderte und kostenintensive Aktion "Kampf dem Herztod in Degerloch" ist ausschließlich privaten Degerlocher Spender*innen und damit geretteten Menschenleben zu verdanken. Diese bürgernahen, förderungsfähigen Tatsachen, der wirkungsvollen und unbürokratischen Hilfeleistungen mit Spendengeldern in unserem Stadtbezirk sind aber seit Jahren wohl schlichtweg unbemerkt und ohne Eindruck auf die jeweils aktuellen, politischen Zusammensetzungen und "Suppenküchen" im Degerlocher Bezirksbeirat geblieben. Mit einer ehrenwerten Ausnahmen, am 4. Dezember 2019, durch die frühere Bezirksvorsteherin Brigitte Kunath-Scheffold.
Ungeachtet der stets vorhandenen Möglichkeiten der gemeinnützigen Geldverwendung für den Bezirksbeirat in Degerloch wurde nun aber wohl - völlig unverständlich - wertvolles Geld in der Größenordnung von € 18.200,- / € 10.320,- verdummt. Die Bezirksbeirät*innen erwarten - dafür verantwortlich - hoffentlich keine Akzeptanz der dafür aufgewandten politischen Klugheit und Bürgernähe. Oder gar ein Händeklatschen durch die (bisher wohl ahnungslose) Bevölkerung.
Hätten die Leute, die nun für den "Heimfall" der in Degerloch so dringend benötigten Gelder verantwortlich sind, doch nur die Macher von Degerloch hilft e. V. gefragt! Die hätten mit ihren Verteilungserfahrungen das nun endgültig verlorene Geld sicher schnell und hilfreich für wertvolle Ehrenamts-Arbeit in Degerlocher Einrichtungen und Vereinen untergebracht oder hätten bei anwachsenden Notlagen helfen können. Und die politischen Weisen wären öffentlich besser weggekommen. So bleibt der nun veröffentlichte Vorgang für mich leider ein arges unverständliches, unnötiges und peinliches Missgeschick unseres Bezirksbeirates. Es zeigt kollektives Unvermögen im Umgang mit anvertrauten Geldern. Für mich, bei wachsenden Notwendigkeiten in unserem Gemeinwesen Degerloch, persönlich schon unglaublich, unwirklich! Es sei für die Zukunft gewarnt: "Schlimmer als blind sein, ist nicht sehen zu wollen".
Dieter O. Schmid
Ein überzeugter Spender für die Arbeit
von Degerloch hilft e.V.
Kommentar von Michael Köstler, Bezirksbeirat SÖS |
Zu dem Beitrag "Bezirksbeirat verschenkt Gelder" - vom 22.1.21
Das finde ich mehr als traurig, vor allem, waren es sinnvolle Anträge, die ich alle unterstützt habe. Aber es gibt leider immer jemand, dem irgendwas nicht passt. Ich hab mein Bestes getan, es liegt auch daran, dass vieles im "Onlineverfahren" beschlossen werden musste. Da ist es so, wenn eine Fraktion dagegen ist, kann der Antrag nicht beschlossen werden.
Darum bitte ich, dass so eine Misere nicht mehr passiert, um mehr Einigkeit, Danke!
Michael Köstler
Bezirksbeirat SÖS/Linke Plus
Kommentar von Frank Dietz |
Zu dem Beitrag "Bezirksbeirat verschenkt Gelder" - vom 22.1.21
Eine sehr lobenswertes Statement eines Bezirksbeirates! Sehr ärgerlich dagegen, warum diese Lokalpolitiker (?) so viel Geld verschenken. Geiz oder Inkompetenz? Über einen Anhänger hätten sich sicherlich manche Vereine gefreut, wenn es wieder Feste gibt.
Frank Dietz
Kommentar von Dieter M. Gohl |
Zu dem Beitrag "Bezirksbeirat verschenkt Gelder" - vom 22.1.21
Den Beiträgen von Herrn Schmid und Herrn Köstler kann nur zugestimmt werden. Da ergibt sich die Frage ob es sinnvoll ist, die Bezirksbeiräte von Parteien bestimmen zulassen, oder ob es doch nicht besser wäre die Bezirksbeiräte von den Einwohnern des Stadtteils wählen zu lassen. Vielleicht gäbe es mehr Verständnis für einzeln Belange.
Dieter M. Gohl
Kommentar von Franz Stetter |
Zu dem Beitrag "Bezirksbeirat verschenkt Gelder" - vom 22.1.21
Eigentlich kaum zu glauben, dass man den Antrag auf einen Anhänger ablehnt, der mehreren Vereinen genützt hätte. So ganz nach dem Motto "wir Bezirksbeiräte entscheiden, was man in Degerloch brauchen kann, oder auch nicht". Ein bisschen mehr Vertrauen und Weitblick würde dem Bezirksbeirat für den nächsten Etat sicherlich nicht schaden.
Franz Stetter
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