Blickpunkt
von Felix Reiser
Es geht um Anerkennung
Der Journalist und Schriftsteller Beqë Cufaj hatte seinen festen Wohnsitz in Degerloch, bis er im Juli in Berlin als Botschafter des Kosovo akkreditiert wurde.degerloch.info: Hallo Herr Cufaj, wie geht es Ihnen in Berlin?
Beqë Cufaj: Danke, meiner Familie und mir geht es sehr gut! Unsere Töchter haben dieses Schuljahr nach verkürzten Ferien schon früh begonnen und sich hier schon eingelebt.
degerloch.info: Verfolgen Sie von dort aus noch das Geschehen in Degerloch?
Beqë Cufaj: Einmal in der Woche, muss ich gestehen, schaue ich auf degerloch.info was es so Neues aus Degerloch gibt. Auch durch die Stuttgarter Zeitung bin ich immer wieder in Berührung mit Stuttgart. Ich habe auch Freunde und Nachbarn, die in Degerloch wohnen, und mich immer wieder auf dem Laufenden halten, wie es mit der Baustelle in der Löwenstraße vorankommt. Außerdem habe ich mich vor kurzem mit dem CDU Bundestagsabgeordneten Stefan Kaufmann getroffen, dabei wurde auch sein Wahlkreis Degerloch thematisiert.
degerloch.info: Früher waren Sie freier Journalist und Schriftsteller, jetzt haben Sie als Botschafter des Kosovo mehrere Mitarbeiter unter sich. Wie ist Ihnen diese Umstellung gelungen?
Beqë Cufaj: Am 19. Juli habe ich das Beglaubigungsschreiben des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier erhalten. Er kannte mich noch aus der Zeit, als ich Journalist in Bonn und Berlin war und er Kanzleramtschef und Außenminister. Die Monate Juli und August waren eher ruhig, da die Politik ja auch mal Sommerpause machen muss. Ab September und besonders im Oktober ging es dann so richtig los. Von Antrittsbesuchen bei Botschafter-Kollegen bis hin zu offiziellen Besuchen aus dem Kosovo war viel dabei. Dazu kommt noch, dass ich mit den vier Konsulaten in München, Stuttgart, Frankfurt und Berlin die größte Mission des Kosovo im Ausland leite. Wir haben in Deutschland etwa 400 000 Mitbürger, die in diesen Konsulaten ein Anrecht auf konsularische Dienste haben, was sehr viel Arbeit für meine Mitarbeiter und mich bedeutet.
degerloch.info: Sie haben Romane geschrieben über konfliktbehaftete Verhältnisse zwischen Deutschland und Ihrem Heimatland. Steht jetzt der Konflikt zwischen der Republik Kosovo und Serbien im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit?
Beqë Cufaj: Ich würde es nicht Konflikt nennen. Dieser ist vor knapp 20 Jahren mit dem Beenden des Kriegs im Juni 1999 bewältigt worden. Neun Jahre später, im Februar 2008, hat der Kosovo seine Unabhängigkeit erklärt. Diese wurde von 115 Staaten weltweit anerkannt. Dennoch gibt es ein paar Staaten, die uns nicht als Staat anerkennen. Es bereitet uns Sorgen, dass darunter auch fünf EU-Staaten sind. Serbien und Kosovo reden miteinander, und mithilfe der Vermittlung der EU ist der "Konflikt" um die gegenseitige Anerkennung jetzt auf dem Verhandlungstisch gelandet.
degerloch.info: Wie sehr belastet Sie dieser Konflikt zwischen Ihrem Heimatland und Serbien persönlich?
Beqë Cufaj: Die Wahrheit ist, dass beide Länder und beide Völker Geiseln der Dialog-Verhandlungen geworden sind. Wir können der EU nur schwer beitreten, ohne uns gegenseitig anzuerkennen. Ob, wie und wann das passieren wird - das wird von Brüssel, Berlin, Washington, London, Paris etc. bei den Vermittlungen im Dialog entschieden.
degerloch.info: Und die Konfliktlösung - wie beurteilen Sie die Möglichkeiten diesbezüglich?
Beqë Cufaj: Kein Weg führt am Beenden des "gefrorenen Konflikts" vorbei. Gegenseitige Anerkennung ist der einzige Weg, um weiter voranzukommen. Dies gilt sowohl für die Republik Kosovo als auch für die Republik Serbien.
degerloch.info: Nochmal zurück nach Degerloch, denn Sie haben ja eine Wohnung hier. Bleibt Ihnen ab und zu noch Zeit für einen Besuch?
Beqë Cufaj: Wenig. Aber demnächst werde ich mal wieder kommen, um Freunde und Bekannte zu besuchen. Es ist ein Stück meines Lebens und nicht zu vergessen: In einem Buch und einem Theaterstück war Degerloch Mittelpunkt der Geschehnisse. Deshalb sehe ich mich in Berlin nicht nur als Vertreter des Kosovo, sondern auch als Vertreter von Degerloch. Das erzähle ich überall.
Beqë Cufai
1970 Geboren im Kosovo
1989 Abschluss Gymnasium
1994 Abschluss Studium albanische Sprach- und Literaturwissenschaft
1995 Umzug nach Deutschland
1998 Kolumnen, Essays, Reportagen FAZ, SZ, NZZ
2001 Förderpreis "Bruno Kreisky" für Buch "Kosovo - Rückkehr in ein verwüstetes Land"
2012 Veröffentlichung Roman "projekt@party"
2013 Aufführung Theaterstück "Last Exit Degerloch"
2014 Festrede beim Neujahrsempfang im Bezirksrathaus
2018 Ernennung Botschafter der Republik Kosovo
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