Blickpunkt
von Stephan Hutt
Der Phaleristiker
Albert Raff kennen viele Degerlocher als örtlichen Historiker, Vortragsredner und Buchautor. Aber hinter der Person verbergen sich noch ganz andere Fähigkeiten.Es ist Samstag gegen 12 Uhr. Zwei ältere Damen unterhalten sich in der Epplestraße vor der Tchibo-Filiale, als auf der Gegenseite Albert Raff (li.) mit schnellen Schritten Richtung Löwenstraße läuft. "Des isch dr Historiker", sagt die eine. Die andere scheint ihn etwas besser zu kennen: "Der goaht zu seim Stammtisch im Holzkrug." Das sind schon mal zwei Dinge, die man über Albert Raff wissen muss. Dass er mal Rektor der Lerchenrainschule in Stuttgart-Süd war, wissen nur noch einzelne, die auch hin und wieder in seinen Vorträgen sitzen, wenn er die Geschichte Degerlochs erklärt.
Seine historischen Ortskenntnisse hat Raff in den Büchern "Ansichtssache Degerloch" und "Degerlocher Raritäten" niedergeschrieben, und zwar so interessant, dass die Exemplare weggingen wie warme Semmeln. Keine Chance, noch irgendwo ein Exemplar zu ergattern. "Eine Ortschronik, wie sie andere Stuttgarter Stadtbezirke haben, fehlt aber immer noch", bedauert der Ruheständler.
Ob Raff dieses Thema eines Tages aufgreift, bleibt abzuwarten, denn der Mann ist nach wie vor gut beschäftigt. Es ist nicht weitreichend bekannt, dass er viel Zeit der Numismatik widmet, im Volksmund auch Münzenkunde genannt. Als Autor war er auch auf diesem Gebiet recht fleißig. In sieben Bänden hat Raff Medaillen und Münzen von Württemberg beschrieben. Aber der Degerlocher hat noch eine andere geheime Leidenschaft - Phaleristik lautet das Schlagwort.
Die meisten würden diesen Begriff jetzt googeln, aber das kann man sich getrost sparen. Phaleristik ist eine Wissenschaft, die sich auf internationalem Terrain mit Orden, Ehrenzeichen und verschiedenen Auszeichnungen wie Verleihungsurkunden befasst. Für seine Verdienste auf diesem Gebiet hat der ehemalige Pädagoge im vergangenen Jahr den "Von Hessenthal-Preis" (Bild) erhalten. "Albert Raff hat hervorragende, eigenständige, wissenschaftliche Arbeiten im Bereich der Phaleristik vorgelegt", sagte der Redner der Deutschen Gesellschaft für Ordenskunde (DOG) bei seiner Laudatio im Rahmen der Preisverleihung.
Somit ist auch die zweite geheime Leidenschaft unseres Ortshistorikers enttarnt. Sollten sich die zwei Damen demnächst wieder zu einem Samstag-Schwätzle auf der Epplestraße treffen, geht es vermutlich nicht mehr um den Historiker, den es schnellen Schrittes in den Holzkrug zieht. "Du, da drüba läuft dr Numismatiker", könnte dann die eine sagen, worauf die andere vermutlich spontan widerspricht: "Nö, des isch doch dr Phaleristiker".
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