Blickpunkt
von Felix Reiser
Zielorientiert aus der Krise
In ihrem Buch hat Heidi Sand ihren Weg aus einer persönlichen Krise eindrucksvoll geschildert. Dieser Weg führte auf den Gipfel des Mount Everest.Das neue Buch der erfahrenen Extrembergsteigerin hatten wir bereits angekündigt. Das 128-Seiten-Hardcover "Auf dem Gipfel gibt's keinen Cappuccino" ist aber eine nähere Betrachtung wert. Es handelt sich hierbei nicht um ein typisches Bergsteigerbuch mit allen Details an Erlebnissen negativer und positiver Art, die normalerweise zu den Publikationen bekannter Gipfelstürmer gehören. Es geht auch um das, was vor der Besteigung des Mount Everest geschah. Denn auf den höchsten Berg unseres Planeten steigt man nicht einfach so, schon gar nicht 18 Monate nach einer schweren Krebserkrankung.
In ihrem Buch beschreibt Heidi Sand, die in Degerloch in der Epplestraße mit zwei Kolleginnen das künstlerisch geprägte "Atelier Backstube" betreibt, auf eindrucksvolle Weise, wie wichtig ein klares Ziel ist, um eine scheinbar auswegslose Situation zu meistern. Dieses Ziel war schnell gefunden - die Besteigung des Mount Everest. Höher geht nicht. "Krise ist ein produktiver Prozess. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen". Dieses Zitat von Max Frisch spielt im Leben der Extrembergsteigerin seit ihrer Erkrankung eine wichtige Rolle.
Nach der Diagnose Darmkrebs mit Operation und zahlreichen Chemotherapien im Alter von 43 Jahren brauchte Heidi Sand jenes Ziel. Zur Vorbereitung auf den Everest-Aufstieg wollte sie sechs Monate nach dem Abschluss ihrer Behandlung den Cho Oyu besteigen, mit 8201 Metern sechsthöchster Berg der Welt. Die Expedition scheiterte allerdings auf einer Höhe von 6400 Metern aufgrund starker Lawinenabgänge. "Es ist keine Schande umzudrehen, gesund nach Hause kommen ist wichtig", sagt die Mutter von drei Kindern. Dieser Grundsatz ging ihr auch am Everest nie aus dem Kopf.
Natürlich spielt auch der Weg zum 8850 Meter hohen Gipfel eine wichtige Rolle in dem Buch. Dieser Weg beginnt aber nicht im Basislager auf 5300 Metern Höhe, sondern in Kathmandu, und führt später in einer zehntägigen Wanderung mit optimaler Anpassung an das örtliche Klima zum Fuße des Everest, wo sich zahlreiche Expeditionen auf ihre Besteigung vorbereiten. Ihr Garten im Sonnenberg spielte bei Heidi Sand eine wichtige Rolle, als sie in voller Expeditionsmontur übte, über Leitern zu klettern, die am Everest über schwierige Passagen führen. Dass sie bei ihrem Aufstieg noch an den Nachwirkungen der Chemotherapie in Form von Taubheitsgefühl in Fingern und Zehenspitzen litt, ist nur ein Aspekt der Tortur auf dem Weg nach ganz oben.
"Man muss nicht nur sein Ziel genau definieren, sondern auch den Gegner", sagt die Gipelstürmerin, die 18 Monate nach ihrer Chemotherapie am 26. Mai 2012 auf dem Everest stand. Der Gegner hat es gut mit ihr gemeint. "Er hat mir das Leben gerettet", schreibt sie in ihrem Buch - ganz im Gegensatz zu den über 300 Todesopfern die der Himalaya-Riese seit der Erstbesteigung 1953 gefordert hat. Heidi Sand ist ein Familienmensch, das drückt sie in ihrem offen und packend geschriebenen Buch immer wieder aus. Und diese Familie hat sie unbeschadet zurückbekommen.
Auf dem Gipfel gibt's keinen Cappucino
Heidi Sand, Verlag Kurz & Bündig
Hardcover mit Schutzumschlag
Format 12,5 x 20,5 cm, 128 Seiten, 18,50 Euro
Erhältlich im Buchhandel und im
Atelier Backstube, Epplestraße 11
Kommentare
Einen Kommentar schreiben